TEST: ADIDAS SL 20.2 - DER BESSERE SL 20?

 

Nachdem ich im letzten Jahr die Gelegenheit hatte, die erste Generation des Adidas SL 20 zu testen und sehr begeistert von dem Schuh war (meinen Erfahrungsbericht findet ihr hier LINK), habe ich mir sehr auf die 2. Auflage SL 20.2 gefreut.

Allerdings herrscht bei Adidas in der Kategorie der Lightweight Trainer und Wettkampfschuhe einiges Gedrängel (Boston, SL 20, Adios, Takumi, RC…), und durch den Adizero Pro und den Adizero Adios Pro ist es nochmal unübersichtlicher geworden. Deswegen war ich gespannt darauf, ob Adidas den Schuh anders positionieren und damit auch den Charakter verändern würde – was nicht immer ein Gewinn ist.

Am Ende meines Erfahrungsberichts gehe ich deswegen auch noch einmal darauf ein, wo ich den Adidas SL 20.2 im Adizero Portfolio sehe. Obwohl Adidas diesen Namenszusatz im Gegensatz zu dem Vorgänger nicht mehr verwendet, ist der SL 20.2 bzgl. Charakteristik und Zielgruppe immer noch Teil der Familie. 

Und schon mal so viel vorweg, ich finde das Update sehr gelungen…

 

 

Design und Passform

Das Design des SL 20.2 (ich habe ihn in Neongelb) ist fast unverändert und sehr funktional. Das Obermaterial aus Mesh ist zwar leicht verändert, aber immer noch etwas steif und fühlt sich sehr nach „Plastik“ an. Mit dieser Farbgebung sieht er fasst wie der „Trainingsbruder“ des Adizero Adios Pro aus. Es gibt dieses Modell auch in dezenteren Farben, aber ich mag es nun mal knallig! Außerdem ist der Schuh recht unempfindlich und problemlos zu reinigen, alle Fotos sind aktuell nach 150 Kilometern entstanden.

Die Zunge ist konventionell und nicht mehr seitlich vernäht, aber ich hatte trotzdem keinerlei Probleme mit Verrutschen oder ähnlichem. Sehr gefreut hat mich, dass Adidas die Schlaufe am oberen Zungenrand weggelassen hat und diese dafür mit etwas mehr Polsterung versehen hat. Der Fersenbereich des SL 20.2 ist leicht verändert, aber immer noch sehr stabil und bietet eine gute Führung.

Die Schnürung ist zweigeteilt mit konventionellen Löchern im oberen Bereich, weiter unten werden die Schnürsenkel durch dünne Ösen geführt, die so ähnlich aussehen wie bei der Nike Flywire Schnürung. Der funktionale Vorteil hiervon erschließt sich mir nicht, aber es stört auch nicht.

 

 

Der größte Unterschied zum Vorgänger ist allerdings die Passform. Ich habe recht schmale Füße und trotzdem fand ich den alten SL 20 recht eng – vom Gefühl her eher wie ein Wettkampfschuh. Jetzt können sich die Läufer unter euch freuen, denen Adidas oft zu schmal ist - der neue SL 20.2 ist breiter geschnitten und bietet vor allem im Vorfußbereich mehr Platz.

Meines Erachtens ist das eine positive Änderung, denn ein Trainingsschuh muss nicht so eng sitzen wie ein Wettkampfschuh. Trotzdem ist der Halt unverändert exzellent, ich würde mir nur wünschen, dass sich der Schaft innen etwas besser an den Mittelfuß anschmiegt.

Noch ein Tipp zur Größe: mir passt das neue Modell perfekt, da der Vorgänger etwas knapp war - aber nicht so, dass eine halbe Nummer größer besser gewesen wäre. Es könnte aber eine gute Idee sein, bei dem SL 20.2 auch mal eine halbe Nummer kleiner zu probieren.

Die Innensohle ist herausnehmbar und durch die etwas geräumiger Passform ist der Schuh auch für individuelle Einlagen geeignet. Mir persönlich sind die Innensohlen der Adizero Modelle immer etwas dünn und unkonturiert, weswegen ich meistens eine andere aus meinem Fundus verwende. 

Die Mittelsohle besteht unverändert aus dem Lightstrike Mittelsohlenmaterial, welches Adidas in vielen neuen Laufschuhmodellen anstatt Boost verwendet. Dieses Material ist nicht ganz so soft wie Boost, bietet aber immer noch eine sehr gute Dämpfung und hat den Vorteil, dass die Mittelsohle wesentlich stabiler ist.   

Die Adidas Webseite nennt für den SL 20.2 eine Sprengung von 9,5 mm (Rückfußhöhe 21,5 mm / Vorfußhöhe 12 mm), während für den Vorgänger eine Sprengung von 10 mm angegeben ist (Rückfußhöhe 24,2 mm / Vorfußhöhe 14,2 mm). Das würde bedeuten, dass die neue Version etwas flacher ist und etwas weniger Dämpfung bietet. Allerdings ist genau das Gegenteil der Fall: bei gleicher Größe scheint die Mittelsohle auf ganzer Länge 1 – 2mm dicker geworden zu sein. Diese bessere Dämpfung spürt man auch beim Laufen – aber dazu später mehr.

 

 

Im Mittelfußbereich ist die Sohle etwas breiter geworden (Adidas hat einfach die Aussparungen weggelassen), was die ohnehin schon gute Stabilität des Vorgängermodells noch einmal deutlich verbessert. Außerdem ist auch das Torsionselement aus Kunststoff verschwunden, dass auf Steinchen o.ä. immer „schön“ geklackert hat.

Auch unverändert ist die leichte äußere Abschrägung der Mittelsohle im Fersenbereich. Diese Abschrägung verringert bei Fersenläufern die Hebelkraft, die den Fuß nach der Landung auf der Außenkante nach innen kippen lässt. Das ist nämlich leider ein Nachteil von breiten oder dicken Mittelsohlen, die ja eigentlich stabilisieren sollen.

Wie effektiv dieses Design die Stabilität verbessert, zeigt auch der Adidas Adizero Adios Pro. Obwohl dieser Schuh (wie alle Carbonracer) im Fersenbereich eine sehr hohe und schmale Mittelsohle hat, ist es m.E. einer der stabilsten Wettkampfschuhe auf dem Markt. 

Die Außensohle des SL 20.2 ist leicht verändert und von der Struktur mit kleinen griffigen Noppen etwas mehr an den Adidas Adizero Pro angelehnt. Sie bietet eine hervorragende Traktion, auch auf feuchten Waldwegen, und eine lange Haltbarkeit auf allen Untergründen. Ich bin ziemlich schnell auf 150 Kilometer gekommen und kann noch keinerlei Verschleiß erkennen.

 Bei einer breiteren und dickeren Mittelsohle und einem geräumigeren Schaft denkt man natürlich an einen ordentlichen Gewichtsanstieg. Aber erfreulicherweise hält sich dieser in Grenzen und der SL20.2 zählt immer noch zu den Leichtgewichten unter den Trainingsschuhen, in meiner US Größe 11.5 wiegt er nur 272 Gramm. Zum Vergleich: selbst der „Superwettkampfschuh“ Adizero Adios Pro, mit dem Kibiwott Kandie den Halbmarathonweltrekord auf unglaubliche 57:32min geschraubt hat, wiegt in meiner Größe 258 Gramm.

 

 

Laufgefühl und Einsatzzweck - von der Theorie zur Praxis

Sofort nach dem Reinschlüpfen und ein paar Schritten in der Wohnung hat sich bestätigt, dass der SL 20.2 gegenüber seinem Vorgänger mehr Dämpfung und Komfort bietet. Da ich oft auf harten Untergründen laufe, empfinde ich das als große Verbesserung, vor allem bei ruhigen und langen Läufen. Die Stabilität ist für einen Neutralschuh nach wie vor exzellent und in Kombination mit der guten Dämpfung verschwindet der SL 20.2 einfach am Fuß – und das im besten Sinn.

Die Plattform ist so stabil, dass man in dem SL 20.2 wie auf Schienen läuft, auch wenn nach 25 Kilometern die unausweichliche Ermüdung den Laufstil beeinflusst und viele Läufer einen Tick mehr Stabilität benötigen. Ich habe mit ihm auch lange Tempoeinheiten absolviert (obwohl ich dafür eigentlich andere Modelle benutze) – klappt wunderbar, morgens danach ein ruhiger Regenerationslauf – passt auch perfekt.  

Und wenn ich in meiner Nordhessischen Heimat durch Berg und Tal über rutschige und unebene Waldwege laufe, bietet der SL 20.2 im Gegensatz zu vielen anderen Straßenlaufschuhen einen hervorragenden Halt und Grip. Deswegen landet er oft in meinem Handgepäck, wenn ich nur den „einen Schuh für alles“ mitnehmen kann.

Der SL 20.2 ist nach wie vor eine exzellente Option für Läufer, die einen leichten und komfortablen Schuh für viele Kilometer suchen. Er bietet eine Kombination von Stabilität, Komfort und Vielseitigkeit, die aktuell kein anderes Modell in meiner Schuhrotation bietet. Für Läufer ohne Stabilitätsprobleme ist er ein sehr leichter Daily Trainer, und für diejenigen, die sonst eher Stabilschuhe laufen, ist der SL 20.2 eine tolle Option für schnellere Einheiten.

Nachdem Adidas sich ein paar Jahre etwas auf dem Erfolg von Boost ausgeruht hat, bietet das aktuelle Laufschuhsortiment fantastische Modelle für verschiedenste Einsatzzwecke (und ich laufe alle unten beschriebenen Schuhe):

Der SL 20.2 ist – wie schon beschrieben – ein leichter Allrounder für viele Läufertypen und Einsatzzwecke. Mit diesem Schuh kann man kaum etwas falsch machen und ich gehe davon aus, dass er für viele Kilometer gut ist.

Der Boston (ich habe nicht das aktuelle Modell, aber die Konstruktion sieht ziemlich ähnlich aus) ist ein toller Lightweight Trainer, nicht ganz so vielseitig wie der SL 20.2 aber etwas dynamischer. Er ist ideal für schnelle Einheiten und kann sogar als komfortabler Wettkampfschuh genutzt werden.

Der (unterschätze) Adizero Pro ist aus meiner Sicht eine Weiterentwicklung des Adios Boost, mit Carbonplatte und einer erstaunlichen Dämpfung und Traktion. Ich finde ihn geradezu ideal für Wettkämpfe, bei denen es auch mal über Waldwege geht, oder Stadtläufe mit vielen Kurven.

Der Adizero Adios Pro ist ein Langstreckenrenner für die Straße par Excellence. Mit ihm bin ich dieses Jahr wegen fehlender Wettkämpfe ein paar Timetrials gelaufen und die 10km solo so schnell gelaufen wie das letzte Mal vor 3 Jahren, damals allerdings im Rahmen eines Rennens.

 

 

Mein persönliches Fazit

Der Adidas SL 20.2 ist ein sehr gelungenes Update und hat mich auf ganzer Linie überzeugt. Adidas hat die guten Gene des Vorgängers übernommen und ein paar erfreuliche Verbesserungen einfließen lassen. Er ist immer noch sehr leicht, aber nochmal komfortabler und vielseitiger geworden als sein Vorgänger. Vor allem die zusätzliche Dämpfung empfinde ich als sehr angenehm.

Obwohl die Läuferwelt scheinbar  nur noch über Schuhe mit Carbonplatten spricht und man das Gefühl bekommt, dass man ohne so etwas gar nicht mehr das Haus verlassen sollte, braucht man für die „Brot-und-Butter Einheiten“ genau so einen Schuh wie den Adidas SL 20.2.    

Fazit: der SL 20.2 ist für mich immer noch ein „Swiss Army Knife“ in Laufschuhform – das neue Modell mit noch mehr Tools!

 

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