FASZINATION ULTRA

 

Die richtige Vorbereitung

Gute Ding braucht Weile! Wer kennt ihn nicht diesen Spruch. Etwas abgedroschen kommt er daher. Aber: im Kern steckt die Wahrheit. Jeder wird zugeben müssen, dass ein Lauf jenseits der Marathondistanz ohne eine gewissenhafte Vorbereitung, ohne ein strukturiertes Training nicht machbar scheint. JEIN! Klar kann man als Freizeitläufer einfach darauf loslaufen. Und ja, womöglich schafft man auch 50 Kilometer. Fraglich nur wie viel Spaß es macht und wie es einem die Tage danach geht. Von der Gefahr einer langwierigen Verletzung durch massive Überbelastung einmal ganz zu schweigen. Daher sollte man über eine längere Lauferfahrung, idealerweise bereits über die Marathondistanz verfügen.

Grundlegend lässt sich zunächst einmal festhalten, dass das Training für einen Ultralauf dem des Marathontrainings gar nicht einmal so unähnlich ist: der generelle Aufbau, die Einteilung nach Belastung und Regeneration, Fahrtspiele, Intervalle, Wechseltraining sowie lange Läufe im Bereich der Grundlagenausdauer. Auch ein stabilisierendes Krafttraining und das bei vielen unbeliebte Lauf-ABC gehören ebenso dazu. Steht ein Ultralauf in den Bergen mit ordentlich Höhenmeter oder auch technischen Abschnitten als Saisonziel auf dem Plan, wird das Training in diesen Punkten spezifischer ausfallen müssen: Krafttraining und Koordinationstraining für die zu erwartenden Downhills oder Run & Hike Einheiten in vergleichbarem Gelände.

Wie kann oder sollte ein Training für einen Ultralauf nun aussehen? Gute Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt. Abhängig vom Trainingszustand, der geplanten Distanz und den eigenen Zielen, sei es „einfach nur Ankommen“ oder das Erreichen einer bestimmten Zeit, werden sich die Trainingspläne voneinander unterscheiden. Für einen 100 Kilometer Ultra sollten es ca. 16 Wochen bei 4 bis 5 Trainingseinheiten pro Woche mit insgesamt zwischen 5 und 13 Stunden sein. Der Wochenumfang sollte sich in den letzten Wochen vor dem Lauf um die 100 Kilometern bewegen. Letztendlich sollte in der Vorbereitung ein langer Lauf über mindestens 50 Kilometer ausreichen, um einen 100 Kilometerlauf zu finishen.

 

 

Ein professioneller Trainingsplan lohnt sich meines Erachtens immer. Selbst für die, die wissen was sie tun, kann ein solcher Plan nicht schaden. Neue Anreize können allemal für Abwechslung sorgen. Man muss auch nicht allzu tief in die Tasche greifen. Mein Trainingsplan, den ich seitdem jedes Jahr erneut aus der Schublade hole, hat gerade einmal 49 EUR gekostet.

 

 

Daneben kann ich auch spezielle Trailrunningcamps (wie die vom TrailMagazin – schon wieder dieser Dennis) im Rahmen der Vorbereitung empfehlen. Nicht nur dass das Laufen mit Gleichgesinnten weitaus unterhaltsamer ist und man in Phasen der körperlich und mentalen Erschöpfung Beistand findet. Oftmals sind erfahrene Laufprofis mit am Start. Und wenn es dann etwa beim Zugspitzultratrail, dem wohl bekanntesten Ultralaufevent Deutschlands, ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr so läuft wie gewünscht, erinnert man sich an den ein oder anderen Tipp des Profis und das Ziel rückt wieder in greifbare Nähe.

 

Ultralaufevents

„Wirklich? Ein Laufevent? So viele Leute und dann der Stress, dieser Wettkampf. Nein: nichts für mich!“ Zugegeben, dass höre ich öfter. So geht es mir bei großen Citymarathons oder Firmenläufen auch. Mir ist das ebenfalls zu groß, zu laut und zu viele Leute. Aber das Schöne an Laufveranstaltungen generell ist doch, die Gemeinschaft der Läufer. Gleichgesinnte, die alle das gleiche Ziel haben, wenn auch mit unterschiedlichem Anspruch. Und das macht gerade den Reiz aus.

Laufveranstaltungen im Ultrabereich sind meist kleiner. Einmal abgesehen vom Ultratrail du Mont Blanc mit rund 10.000 Startern. Daneben wirkt der Chiemgauer 100, der seit 16 Jahren und als erster Ultratrail Deutschlands ausgetragen wird, mit 150 zugelassenen Starten geradezu grotesk. Doch neben dem meist kleineren Starterfeld haben organisierte Laufevents über die langen Distanzen den Vorteil, dass man sich um die Verpflegung keine Gedanken machen muss. Auch die Routenfindung gestaltet sich meist einfach, da diese markiert ist. Und mal ehrlich: wer bleibt schon gerne alle paar Kilometer stehen und schaut auf die Karte oder das Smartphone, wenn insgesamt 50 oder mehr Kilometer zu bewältigen sind.

In den letzten Jahren sind unzählige neue Laufveranstaltungen über die Ultradistanz hinzugekommen. Auch in Deutschland. Viele Events bieten dabei unterschiedliche Distanzen an. Das nicht nur auf der Ultradistanz. Es gibt auch Veranstaltungen die Strecken auf der Kurz-, Mittel-, Lang- und Ultradistanzen anbieten. Somit ist für jeden etwas dabei.

Die Deutsche Ultralauf Vereiniung eV (DUV) listet für das kommende Laufjahr (11/2020 – 10/2021) insgesamt 165 Ultraläufe allein in Deutschland. (http://statistik.d-u-v.org/calendar.php)

Neben den lokalen, kleinen und nahezu unbekannten Laufevents sind da noch die großen, schillernden und legendären teils verrückten Events:

 

Der Hongkong 100 - standesgemäßer Start ins Ultrajahr.
Der UTMB - die große Runde um den Mont Blanc, dessen Live-Übertragung die Faszination Ultra ins eigene Wohnzimmer bringt.
Der Western States Endurance Run - die Mutter aller 100-Meilenläufe.
Der Comrades Marathon in Südafrika - der 1921 das erste Mal ausgetragen wurde.
Der Hardrock 100 - den ein gewisser Kilian Jornet mit ausgekugelter Schulter lief und gewann.
Die Barkley Marathons - ein wilder Ultra in den Wäldern des Frozen Head State Park (Tennessee) ohne genaue Strecke und Buchseiten als Nachweis, dass jeder Checkpoint durchlaufen wurde.
Ausscheidungsläufe wie Big Backyard Ultra (ebenfalls Tennesse) - bei dem jede Stunde für max. eine Stunde zu einer neuen 6,7 Kilometer-Schleife aufgebrochen wird, bis am Schluss nur noch ein Läufer an der Start-/ Ziellinie steht, und der dieses Jahr nach 68 Stunden und 455 Kilometer sein Ende fand.
 

Die Liste ließe sich fast unendlich erweitern.  Doch für viele dieser Läufe kann man sich nicht einfach anmelden. Man muss über andere offizielle Rennen Punkte sammeln, die einen dann zur Anmeldung berechtigen oder den Zugang zur Lotterie also dem Losverfahren für eine Startnummer ermöglichen. Wer also einmal den Mont Blanc im Rahmen des UTMB umrunden will, muss sich dieser Prozedur unterziehen. Für alle die einmal die Faszination Ultra im Rahmen einer organisierten Laufveranstaltung erleben möchten, bieten sich viele Möglichkeiten. Und die familiäre Atmosphäre kleinerer Events ist durch nichts zu ersetzen.


Die richtige Ausrüstung

Das Schöne am Laufsport ist ja, dass es eigentlich nicht viel mehr braucht als ein Paar Laufschuhe eine kurze Hose und T-Shirt. Eigentlich. Denn klar ist auch, dass man bei langen, sehr langen Läufen dann doch das ein oder andere mitnehmen muss.

 

 

Flaschen und Trinksysteme 

An erster Stelle steht die Verpflegung mit ausreichend Flüssigkeit. Wer also nicht in einem Supermarkt, Tankstelle oder Kiosk eine Pause machen will – würde ja den Schnitt versauen –, der kommt um ein Trinksystem nicht herum. Neben der altbewährten Trinkflasche aus Kunststoff gibt es mittlerweile unzählige Möglichkeiten Wasser oder Iso mitzuführen 

Da wäre einmal die Softflask. Eine flexible Flasche mit Beißventil. Ist sie leer, kann man sie zusammenknüllen und wunderbar wegpacken. Wenn man Modelle mit einer größeren Öffnung nimmt, dann lässt sich die Softflask auch sehr leicht wieder befüllen. Bei kleineren Öffnungen hingegen geht viel daneben und mit verschwitzten Händen lassen sich die kleinen Verschlüsse oft nicht optimal aufschrauben. Kleinere Softflaks (250ml) passen wunderbar in einen Laufgürtel, größere (400ml und mehr) hingegen finden ihren Platz in den Brusttaschen von Laufwesten oder -rucksäcken. Einige Hersteller haben auch spezielle Handschlaufen im Angebot, an denen die Softflaks befestigt werden können.

Neben diesen Softflasks gibt es auch verschiedenen Trinkblasen. Diese werden im Hauptfach in Laufweste- oder Rucksack verstaut. Je nach Ausführung beträgt das Fassungsvermögen bis zu 2 Liter. Alles darüber scheint mir für das Laufen nicht angebracht zu sein. Ein langer Schlauch, je nach Hersteller mit unterschiedlichen Ventilen, wird an den Schulterschlaufen von Laufweste- oder Rucksack befestigt. Die ersten Läufe mit voller Trinkblase am Rücken sind mitunter gewöhnungsbedürftig und das Auffüllen während eines Rennes fand ich bisher sehr mühsam. Laufweste runter, Trinkblase herausfischen, Blase öffnen und wenn dann etwas daneben geht, ist unter Umständen das Paar Ersatzsocken eingesaut. Für einen langen Trainingslauf, bei dem eine einmalige Befüllung ausreicht, ist eine Trinkblase durchaus empfehlenswert. Was man auch nicht vergessen darf: Wasser oder Iso? Man muss sich auf jeden Fall für eines der beiden entscheiden. Klares Plus für die Softflasks. Links Wasser, rechts Iso und raus aus der Verpflegungsstation.

>> Trinksysteme <<

 

Trinkbecher

Apropos Verpflegungsstation! Wir kennen das von den großen Citymarathons: ein Meer aus Papp- oder Plastikbechern pflastern den Weg aus jeder einzelnen Verpflegungsstation. Schade eigentlich, wenn auch nicht wirklich vermeidbar. Und daher sollten wir, Ultraläufer – egal ob Straße oder Trail – ein bisschen umdenken und unseren eigenen Becher stets mitnehmen. Sei es eine leere „Capri-Sonne“, ein Faltbecher oder der Soft Cup von Salomon oder ähnliche Produkte anderer Hersteller.

 


Nicht nur als Pflichtausrüstung

Bei den meisten Laufevents über die Ultradistanz gehören Becher und Trinkflaschen zur Pflichtausrüstung, deren Gegenstände sich je nach Streckenlänge und Veranstalter voneinander unterscheiden. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass die folgenden Ausrüstungsgegenstände auch auf langen Trainingseinheiten durchaus Sinn machen. Und nebenbei bemerkt: man kann sich so auch an das Extragewicht gewöhnen.

Neben den bereits genannten Behältnissen für die Versorgung mit Flüssigkeit, meist sind dies 1,5 Liter, sollten man dabeihaben:

 

Stirnlampe mit Ersatzbatterie: sollte der Start im Dunkeln erfolgen, die Zielankunft nach Sonnenuntergang erwartet werden oder gar eine ganze Nacht zu durchlaufen sein. >> Stirnlampen <<
Verbandszeug und Rettungsdecke:
eigentlich eine Selbstverständlichkeit, gerade wenn das Gelände etwas ruppiger ist.
Mobiltelefon: sei es, um den besorgten Partner von unterwegs eine beruhigende Nachricht zu schicken oder aber um im Notfall Rennleitung bzw. Bergwacht zu kontaktieren.
GPS-Gerät oder Laufuhr mit Trackingfunktion:
nichts ist schlimmer, als sich bei einem Ultramarathon zu verlaufen. Und wenn man einmal aus welchen Gründen auch immer aussteigen muss, findet man so den schnellsten Weg zurück. >>GPS-Uhren <<
Handschuhe und Mütze:
je nach Jahreszeit und wenn es in die Berge geht: Schnee im Sommer ist keine Seltenheit. >> Handschuhe <<
Lange Kleidung:
lange Hose und langes Shirt, wobei Arm- und Füßlinge auch wunderbar funktionieren und meist platzsparender sind. >> Sleeves <<
Laufwesten, Laufrucksäcken / Hüftgurte:
um alles unterzubringen. Hierfür gibt es eine üppige Auswahl. >> Laufrucksäcke <<
 


Stöcke

Oh ja. Spezielles Thema. „Ich laufe – ich nordicwalke nicht!“ Die Frage, ob Stöcke und Laufsport zusammengehören oder müssen, stellt sich in der Ebene nicht. Punkt. Aber auch in den Bergen scheiden sich die Geister an dieser Frage. Auch ich tue mich mit einer Antwort schwer. Wenn es aber auf eine Ultratrailstrecke geht, nehme ich meine Stöcke immer mit. Denn sie unterstützen mich in vielen Situation auf unterschiedliche Art und Weise.

Bergauf, wenn die Beine müde werden, sorgen sie für ein Plus an Vortrieb. Ob in 1:1 Technik oder Doppelschub. Und wenn es einmal gar nicht mehr geht, kann man wunderbar seinen Oberkörper auf ihnen ablegen, sich sammeln und Luft holen.

Bergab entlasten sie Knochen, Muskeln und Sehnen, vor allem aber die Kniegelenke. Zudem bieten sie zusätzlichen Halt in wackeligen, technischen Passagen. Auch in matschigen Abschnitten verhindern sie ein Ausrutschen und der Hintern bleibt sauber und trocken.

Ich habe im Kindergartenalter mit dem Langlaufen begonnen. Daher war mir der Umgang mit und der Einsatz von Stöcken sehr vertraut. Diejenigen, die noch nie Langlaufen waren oder auch so den Stockeinsatz nur vom Einkehrschwung kennen, sollten das Laufen mit Stöcken gerade im Downhill zunächst einmal üben. Denn ja: Stöcke bergen auch ein gewisses Verletzungspotential. Einmal unachtsam, der Stock zwischen den Beinen und man selbst schon im Abflug. Wer dann noch blöd fällt, läuft Gefahr unliebsame Bekanntschaft mit der Stockspitze zu machen. Daher mein Tipp: bergauf, die Hände in den Stockschlaufen. Ist auch besser bei der Kraftübertagung. Bergab hingegen, die Hände raus aus den Schlaufen. So kann man im Falle eines Sturzes die Stöcke leicht zur Seite wegwerfen.

Viele Anbieter haben spezielle Laufstöcke im Angebot. Einige davon haben ein fixe Stocklänge, andere wiederum sind in der Länge verstellbar. Die richtige Länge findet man über die Größentabellen der einzelnen Anbieter heraus. Ich, 178cm groß, laufen einen 120er Stock. Wenn der Griff noch eine Verlängerung (Schaumstoff) nach unten hat, kann man die „gegriffene“ Stocklänge noch ganz individuell anpassen. Dies empfiehlt sich u.a. bei Hangquerungen.

Besonders wichtig aus meiner Sicht ist, dass man die Stöcke zusammenfalten können sollte. Denn so lassen sie sich auf längeren flachen Abschnitten einfach verstauen oder aber auch viel angenehmer in den Händen tragen.

Ob nun Carbon oder Alu ist – aus meiner Sicht – eine nicht so entscheidende Frage. Aluschäfte sind sicherlich haltbarer und nur unwesentlich schwerer. Carbonstöcke sind steifer und gerade bergauf vorteilhafter.

Egal mit welchem Stock ihr unterwegs seid, denkt daran, dass hinter euch auch jemand läuft. Denn nichts schmerzt mehr als die Stockspitze vom Vordermann! 

>> Zu den Laufstöcken <<

 


Schuhe

Das Angebot ist mittlerweile riesig! Fast jeder namhafte Hersteller hat das Segment Ultra in sein Portfolio aufgenommen. Die Platzhirsche wie Salomon, Hoka One One und Altra bekommen ordentlich Konkurrenz. Dynafit aber auch Adidas und Scott u.v.m. holen mächtig auf. Aller Hersteller haben ihre eigenen Konzepte. Doch spielt die üppige Dämpfung bei allen Herstellern eine große Rolle. Beindruckend ist, dass viele Schuhe trotz mächtig Maße unter der Ferse den Spagat zwischen Dämpfung einerseits und Agilität sowie Rückmeldung andererseits überraschend gut hinbekommen. Am Ende des Tages entscheidet der eigene Fuß, welcher Schuh im Hinblick auf Passform der richtige Begleiter ist. Die Höhe des Stands als auch die Sprengung sind im Hinblick auf Stabilität und Muskelbeanspruchung auch nicht zu unterschätzen. Das Gewicht spielt aus meiner Sicht keine vorrangige Rolle. Ohnehin liegt nahe, dass Schuhe mit viel Dämpfung ein höheres Gewicht haben. Doch liegt man hier falsch. Materialforschung und Schuharchitektur entwickeln sich derart progressiv, dass man durchaus schon von Lightweight-Schuhen im Ultrabereich sprechen kann.

Und auch hier kommen die vielen Ultralaufveranstaltungen ins Spiel. Oft sind viele Hersteller vor Ort und bieten ihre Topmodelle für einen kostenlosen Testlauf an. Zugegeben: nach einer Testrunde hat man keine Ahnung wie sich der Schuhe ab Kilometer 60 anfühlt – ist auch egal, es tut ohnehin schon alles weh und den Schmerz hat man schon mehrfach durchlaufen – aber man kann zumindest einen ersten Eindruck gewinnen.