BERG KJERAG
Der Berg Kjerag ist die „Majestät des Lysefjords“ -des sog. Licht-Fjords, im Bezirk Rogaland im Süden von Norwegen, eine ikonische Erhebung und „INSTA-Hotspot“, der durch seine beeindruckenden Aussichten, steilen Klippen und einen eingeklemmten Felsbrocken bekannt geworden ist und der KJERAG ist ein Trail-Schuh, der vom „GOAT des Trail-Running“, Kilian Jornet mitentwickelt wurde. Kilian konnte im Rahmen der Erprobung & Markteinführung des KJERAGs beweisen, dass es sich bei diesem um einen veritablem Alleskönner und eine echte „Trail-Race-Waffe“ handelt: Er absolvierte 2022 den Sierre Zinal, Hardrock 100, Zegama und UTMB - alle in demselben Paar Kjerag - und er gewann die letzten drei dieser Ultra-/Trail-Wettkämpfe.
REICHLICH VORSCHUSSLORBEEREN, ODER?
Natürlich war ich gespannt, den KJERAG selbst an die Füße zu schnüren und ausgiebig zu testen. Ob und inwieweit der NNormal KJERAG meine Erwartungen erfüllen konnte, welches seine Stärken und welches seine Schwächen sind, soll der nachfolgende Testbericht zeigen. Shop4runners hat mir den KJERAG zur Verfügung gestellt, so dass ich ihn unabhängig von etwaigen Herstellerinteressen testen konnte.
ETWAS GESCHICHTE:
Über Kilian Jornet, dem spanischen Wunder-Läufer braucht man wahrlich nicht mehr viel zu sagen.
Er kann ohne Zweifel als der „Greatest of all Time“ des Ultra- & Trailrunnings bezeichnet werden. So findet man auf seinem Palmarès unter anderem vier UTMB-Siege, 5 Siege beim Hardrock 100 sowie unzählige weitere glanzvolle Siege und Top-Platzierungen. Nachdem er jahrelang für Salomon das „Marken-Gesicht“ war, gründete er zusammen mit dem spanischen Familien-Unternehmen Camper seine Marke NNormal, wobei hier die Testgebiete Norwegen und Mallorca sowie ein extra „N für New-Normal geaddet“ wurde.
OPTIK UND VERARBEITUNG:
Der KJERAG kommt in eher schlichten Designs sowohl in Beige, Weiß als auch Schwarz recht unscheinbar daher, verströmt jedoch ein wohlwollendes Understatement. Aufpeppen kann und sollte man ihn mit entsprechend markanten Socken. Die Verarbeitung wirkt nicht nur hochwertig, sondern gehört quasi zur DNA von NNormal, denn das Thema Haltbarkeit ist eines der absoluten Markenkennzeichen und Prioritäten.
TECHNISCHE DATEN:
Der KJERAG bringt in US 13,5 (= EU 48,5) erstaunliche geringe 270 g auf die Waage. Dies liegt zum Teil auch daran, dass der KJERAG keine Einlegesohle im klassischen Sinn besitzt, sondern die Mittelsohle mit einer dünnen „Textil“-Schicht ausgestattet ist. Er besitzt eine Bauhöhe von „lediglich“ 23,5 zu 17,5 mm und ist somit ein ausgesprochen flaches Modell.
Die UVP beträgt 190 €
TECHNISCHE HIGHLIGHTS:
Zum einen ist hier der Expure-Schaum in der Zwischensohle zu nennen, der einen direkten Kontakt erlauben, dennoch gut dämpfen und eine hohe Energierückgabe gewähren soll.
Und selbstverständlich soll der Expure-Schaum auch eine extrem hohe Haltbarkeit besitzen. Gerade beim Mittelsohlen-Schaum entscheidet sich ja die Lebensdauer/Laufleistung eines Laufschuhs und NNormal will hierbei Zeichen setzen. Ebenso besitzt der KJERAG die anerkannt gute VIBRAM Litebase-Sohle, welche ich selbst schon bei einigen Trail-Modellen testen konnte. Litebase bedeutet hierbei, dass die Stollentiefe lediglich circa 3,5 mm beträgt und dennoch auf unterschiedlichsten Terrains eine sehr gute und ausgewogene Performance zeigen soll.
Ebenso wurde beim KJERAG ein quasi „Rundum-Gummischutz“, der den Fuß vor leichten Einschlägen schützen soll implementiert (hierbei ist die Zehen-Box und auch die Fersenkappe etwas mehr verstärkt). Das leichte, aber auch robuste und langlebige Matryx® Jacquard-Upper soll ebenfalls eine enorme Robustheit und hohe Haltbarkeit gewährleisten - dies konnte ich auch schon bei anderen Trailschuh-Modellen (z.B. Hoka Speedgoat EVO) erleben.
TECHNISCHE DATEN KOMPAKT:
Hersteller: NNormal
Modell: Kjerag
UVP: 190 €
Gewicht: 200 g/Schuh (Gr. EU 42)
Sprengung: 6 mm
Profiltiefe: 3,5 mm
Sprengung: Ferse 23,5 mm / Vorfuß 17,5 mm
PASSFORM:
Hier zeigt sich der KJERAG von seiner sportlichen Seite. Er ist insbesondere im Mittelfußbereich schön eng geschnitten und lässt sich extrem gut mit dem Fuß in Verbindung bringen.
Die verstärkte Fersenkappe sorgt für einen guten Lock-In. Die Zunge ist zwar sehr dünn, aber dennoch verteilt sie den Druck sehr gut. Die Zehen-Box ist ausreichend breit und etwas länglich designt. Hinweis: Bei mir fällt der KJERAG etwas kleiner als Laufschuhe anderer Hersteller aus, so dass ich diesen ca. eine halbe Nummer größer als normal kaufen würde.
Das Test-Exemplar war sogar eine ganze Nummer größer und ich hatte im Zehenbereich „fast etwas zu viel Platz“. Aufgrund der tollen Passform hatte dies jedoch keinen Einfluss auf den Lock-IN meines Fußes im Schuh. Dieser saß bei entsprechender Schnürung jederzeit sehr gut! Vorteil: Selbst bei langen Downhills stoßen die Zehen nicht an!
GRIP:
Auch hier zeigte sich der KJERAG von seiner besten Seite. Er performte sowohl auf Schotter, Waldwegen im leicht matschigen Gelände sowie auf Fels auf hohem Niveau und kann somit als Allrounder bezeichnet werden. Natürlich können die 3,5 mm Litebase-Stollen keine Wunder bewirken, jedoch werden speziell geübte Läufer*innen mit ihm eine Menge Freude und viel Sicherheit auf Trails genießen können.
HALTBARKEIT:
Dazu kann ich naturgemäß eingeschränkt Aussagen treffen, jedoch hat NNormal diverse Läufer dazu angehalten, ihre Erfahrungen hinsichtlich der Laufleistung des KJERAGs zu publizieren. Hierbei zeigte sich, dass der KJERAG durchaus für Kilometerleistungen über 1.000km gut sein kann. Kilian Jornet soll sein erstes Paar Kjerag-Schuhe über eine Gesamtdistanz von ca. 1.300 Kilometern und 70.000 Höhenmetern getragen haben!
Die Laufleistung hängt naturgemäß insbesondere auch vom Laufstil und dem Einsatzgebiet des Schuhs ab. Durch die verwendeten robusten Materialien (Matryx-Upper, etwas festerer EExpure-Schaum, sowie durchgehende Litebase-Sohle) bietet der KJERAG auf jeden Fall eine haltbare Basis.
Nach insgesamt ca. 350km in meinem Langzeit-Test zeigten sich keine besonderen Abnutzungserscheinungen an meinen KJERAGs. TOP!
STABILITÄT:
Hierbei ist zu differenzieren: Denn der KJERAG ist im Rückfuß und Mittelfußbereich eher schmal geschnitten, so dass insbesondere Fersenläufer u.U. gewisse Stabilitätsdefizite hinnehmen müssen.
Mittelfuß- und Vorfußläufer hingegen sollten mit dem breiteren Vorfußbereich in Sachen Stabilität keine Probleme haben. Bei mir zeigte sich der KJERAG auch im technischen Gelände absolut unbeeindruckt und vermittelte mir jederzeit ein sicheres Gefühl. Insbesondere durch die fehlende Einlegesohle hatte ich jederzeit einen sehr guten Kontakt zu/auf den Trails und konnte extrem gut mit diesen „connecten“. Gerade dieses Kriterium wird von vielen Trailläufer*innen sehr geschätzt!
EINSATZBEREICH:
Da der KJERAG eher flach konstruiert ist, dürfte er für Einsteiger eher für die kurzen schnellen Trail-Läufe geeignet sein. Geübte Läufer*innen werden mit ihm jedoch auch eine Menge auf mittleren bis langen Strecken haben.
Sollte man Ultratrails mit ihm in Angriff nehmen, sollte man dies im Rahmen des Trainings vorher testen, so dass man genug Erfahrungen sammeln und eine Anpassung des Fußes an den Schuh erreicht. Immerhin konnte Kilian Jornet mit diesem Schuh Ultratrails mit bis zu 170 km siegreich absolvieren.
„AUF DEM TRAIL“ - DÄMPFUNG UND DYNAMIK:
Wie eingangs erwähnt ist der KJERAG eher flach konstruiert. Viele andere „Konkurrenten“ weisen (mittlerweile) eine Bauhöhe von bis zu fast 40 mm auf. Demzufolge vermutete ich den Komfort und die Dynamik des KJERAGs eher auf einem niedrigen bis mittleren Niveau…
Doch weit gefehlt!
Der KJERAGs vermittelt mit seinem EExpure-Schaum eine durchaus angenehme, leicht straffe Dämpfung mit ordentlichem Energy-Return. Ich hatte bei meinen längeren Läufen sogar das Gefühl, dass nach circa 30 Minuten die Mittelsohle irgendwie noch einmal einen Schub mehr an Dämpfung generieren konnte, quasi so als wäre der KJERAG „warmgelaufen“. Bei zügigerem Tempo erscheint die Dämpfung der Mittelsohle sogar etwas softer zu werden. Naturgemäß kann ein EVA-Schaum keinen Rebound wie die High-Performance PEBA-Schäume erzielen.
Dieses Thema spielt auf Trails aktuell allerdings (noch) eine eher untergeordnete Rolle. Der KJERAG rollt zudem angenehm flüssig ab, leicht unterstützt durch den dezenten Rocker im Vor-Fußbereich.
In Verbindung mit der griffigen Sohle erlebte ich auf den heimischen Trails eine Menge Spaß. Auch lange Läufe im Bereich von 2-3 Stunden bereiteten mir keinerlei Probleme. Hier zeigt sich auch der positive Einfluss des geringen Gesamtgewichts des Schuhs. Als Besonderheit bietet der KJERAG ja keine Einlegesohle, die das Fußbett noch einmal auskleidet. Demzufolge ist die Rückmeldung vom Untergrund insbesondere auf Trails sehr gut nachzuvollziehen. Gerade dieser Aspekt dürfte erfahrenen Läufer*innen gefallen.
Man fühlt sich mehr mit Untergründen, insbesondere auf technischen Trails, verbunden und verspürt so einfach noch etwas mehr Sicherheit. Im tiefen Schlamm setzte sich das Profil jedoch gerade bei „klebrigem“ Schlamm relativ schnell zu, so dass der KJERAG dann (wie viele andere Trailschuhe auch) nur einen geringen Grip bietet. Aufgrund der durchgehenden, nicht skelettierten Außensohle war auch die Protektion von unten auf einem sehr ordentlichen Niveau. Durch die leichten (Gummi-) Verstärkungen im Seiten- und Vor-Fußbereich dürften auch hier insbesondere geübte Läufer*innen keinerlei Probleme haben.
ALTERNATIVEN DES HERSTELLERS:
NNormal bietet aktuell eine kleine, aber feine Auswahl verschiedener Trail-Modelle.
Der neben dem KJERAG ist der TOMIR 2.0 noch etwas robuster konstruiert und bietet mehr Komfort. Er ist auch in einer wasserdichten BOOT-Version erhältlich.
Hier der Link zu den verfügbaren Modellen:
GESAMTFAZIT:
Mit dem KJERAG bringt NNormal einen veritablen Allrounder auf den Markt. Die Optik ist gefällig, die Verarbeitung ist auf sehr hohem Niveau und insbesondere das erfreulich niedrige Gewicht weiß Trailläufer*innen zu begeistern. Durch seinen eher flachen Aufbau mit einem intelligent gewählten Mittelsohlen-Schaum zeigt der KJERAG auch in Sachen Lauffreude, Dynamik und Dämpfung seine Stärken. Für Einsteiger ist er eher für kurze bis mittlere Läufe zu empfehlen, geübte Trailläufer*innen können mit dem KJERAG auch Ultratrails absolvieren – wobei ich hier vorab längere Testläufe empfehle.
Der KJERAG bietet auf allen Untergründen ein wirklich gutes Grip-Niveau, das naturgemäß im tiefen Schlamm etwas abfällt. Besonders gefallen hat mir auch die tolle Verbindung des KJERAG zum Untergrund durch das innovative Fußbett! Aufgrund des sehr geringen Gewichts macht der KJERAG insbesondere auch im Highspeed-Bereich eine extrem gute Figur und weiß zu begeistern.
Für eine UVP von 190 € ist ja eine interessante Alternative im Trailschuh-Segment.
NACHTRAG: Vor einigen Wochen gewann Kilian Jornet den Zegama Berg-Marathon zum 11. Mal ….natürlich im NNormal KJERAG!
Fotoquellen: eigene und NNormal