Titelbild

 

 

„Fliege über die Straßen – Der Performer unter den Laufschuhen ist da“. So bewirbt HOKA das neue Modell aus der beliebten Clifton-Serie. HOKA One One wurde von zwei Ultraläufern im Jahr 2009 in den französischen Alpen gegründet mit dem Ziel das Laufen leichter und komfortabler zu machen. Der Clifton erschien erstmals 2014 und erfreute sich im Laufe der Zeit zunehmender Beliebtheit, weil er sensationellen Komfort bei wenig Gewicht bot, was vorher oft unvereinbar schien. HOKA verspricht, dass die aktuelle Version „weiterhin die perfekte Kombination aus weich und leicht“ liefert, so dass ich gespannt war, wie sich der neutrale Allroundschuh für die Straße in seiner 2021er-Ausgabe im Praxistest schlägt und ob er das große Versprechen erfüllen kann.

 

Features und Neuerungen


Früher erkannte man HOKA-Schuhe sofort an den voluminösen Zwischensohlen, was anfangs oft zu kritischen Blicken unter den Läufern führte. Inzwischen findet man ähnlich dicke Mittelsohlen auch bei anderen Herstellern, was zeigt, dass HOKA seiner Zeit etwas voraus war und hier einen Trend setzte. Auch der Clifton gehört zu dieser Spezies. Er bekam in seiner achten Ausgabe ein neues Mittelsohlenmaterial, das nochmal 15% leichter als bei seinem Vorgänger sein soll. Es handelt sich zwar immer noch um einen formgepressten EVA-Schaum, der dank neuer chemischer Formel aber punktelastischer sei und laut HOKA für ein gleichmäßigeres Laufgefühl sorgen soll. Trotzdem ist das Gesamtgewicht in etwa gleich geblieben. Das mag an dem erweiterten Crash-Pad im Fersenbereich liegen, das für eine sanftere Landung und einen angenehmeren Abdruck sorgt.

Zudem wurde die Polsterung an der vernähten Zunge sowie im Fersenbereich etwas üppiger und somit der Schuh noch etwas komfortabler. Auch das Obermaterial wurde überarbeitet und mit einem softeren, dehnbareren und atmungsaktiveren engineered Mesh ausgestattet. Die weit hochgezogene Fersenlasche erleichtert das Anziehen, scheuert aber nicht an der Achillessehne, da sie von der sensiblen Partie weg gebogen ist.

Die gewohnte „Early Meta Rocker“-Sohlenform wurde beibehalten, an der Außensohle wurde „strategisch“ nur an den von Abnutzung betroffenen Stellen abriebfesterer Gummi platziert, um den Verschleiß zu minimieren und trotzdem Gewicht zu sparen. Eine leicht verbreiterte Sohle soll für etwas mehr Auflage und damit Stabilität sorgen. Insgesamt hat HOKA keine größeren Veränderungen mit Ausnahme der (noch leichteren und weicheren) Mittelsohle vorgenommen, sondern eher ein paar Upgrades an verschiedenen Stellen, ohne den Charakter ihres beliebten Bestsellers zu verändern.

 

Die wichtigsten Daten in Kürze

 

KATEGORIE

 

Neutralschuh, Allroundtrainer (Daily Trainer)

 

GEWICHT

 

Herren US 9: 250 g (meine US 11,5: 288 g)

Damen US 8: 215 g

 

SPRENGUNG

 

5 mm (29 mm/ 24 mm)

 

UVP

 

140 €

 

FARBVARIANTEN

 

10 (!) Herren- und 8 (!) Damenmodelle

 

GRÖSSE / PASSFORM

 

Fällt normal aus (true to size); genug Platz in der Zehenbox nach oben, aber seitlich ziemlich schmal im Zehenbereich; für breitere Füße gibt es auch eine „breite“ Variante (Wide).


 

Erster Eindruck:


Beim Öffnen des Kartons bekam ich sofort ein breites Grinsen. Das mir zugesendete Testpaar mit hellblau/türkisem Obermaterial, rotem Rand und weißer Mittelsohle (Aquarelle/ Real Teal) sieht einfach nur hammermäßig gut aus (finde ich zumindest). Neben dieser Farbkombi gibt es für Männer neun (!), für Frauen sieben weitere, so dass für jeden Geschmack was dabei sein dürfte. Alle Nähte und Klebestellen wirken hervorragend verarbeitet und der Schuh macht einen wertigen Eindruck.

Obwohl es sich um einen komfortablen, stark gedämpften Allroundtrainer mit Langstreckentauglichkeit handelt, merkt man schon beim Herausnehmen, dass der Clifton ein echtes Leichtgewicht in dieser Kategorie ist. Ein Nachwiegen ergibt, dass er in meiner Größe US 11,5 nur 288 Gramm wiegt. Ein echter TOP-Wert!

Beim Anziehen verwöhnt eine üppige Polsterung an Schaft und Zunge und ein anschmiegsames, luftiges Mesh den Fuß. Die flachen Schnürsenkel sitzen perfekt in den länglichen Ösen und sind lang genug für die Marathonschnürung. Die Ferse sitzt bequem, aber fest und sicher. Die Zehenbox ist nach oben geräumig, der Vorfußbereich ist aber ziemlich schmal geschnitten, so dass meine etwas breiteren Füße sich seitlich eingeengt fühlen, was bei einem Schuh dieser Kategorie verwundert, da alles andere sehr auf Bequemlichkeit ausgelegt wurde. Ob das bei längeren Läufen gut funktioniert? Mal sehen…

 

Die Laufeigenschaften im Praxistest


„Fliege über die Straße“ – welcher Läufer will das nicht? Ich bin von HOKA-Schuhen im Trailbereich begeistert (insbesondere vom Torrent) und hatte schon viel Positives vom Clifton gehört, bin aber noch kein Modell gelaufen. Schon nach wenigen Metern merke ich, dass sich der Schuh sehr weich und stark gedämpft anfühlt und dabei ein echtes Leichtgewicht am Fuß ist. Super! Leider trafen aber auch meine Befürchtungen wegen der Passform ein. Mein etwas breiterer Vorfuß fühlte sich im Zehenbereich seitlich eingeengt an und ich verkürzte meinen Lauf, da ich bereits nach 16 km eine richtige Druckstelle an der großen Zehe (die eigentlich hart im Nehmen ist) bekam. Auch bei meinem zweiten Lauf in den Morgenstunden passierte das Gleiche.

HOKA wirbt auf seiner Website mit „TO TRY IS TO FLY“ einem 30-tägigen Testzeitraum. So konnte ich mir die Schuhe in der breiten Variante zuschicken lassen und probieren. Vielen Dank an HOKA für diesen tollen Kundenservice! Die breite Version würde ich als normal breit bezeichnen, sie passte mir aber gut und ich freute mich auf den ersten langen Lauf mit dem Clifton 8.

Hier zeigt er seine wirklichen Stärken. Durch seine gebogene Rocker-Konstruktion rollt er leicht ab und sorgt für mühelosen Vortrieb. Die softe Dämpfung der Mittelsohle (in Verbindung mit der anatomisch geformten Ortholite-Innensohle) ist super für lange Einheiten geeignet. Auch nach mehr als 30 km tut sie ihren Job noch einwandfrei und verzeiht es auch, wenn man die müden Füße in den Schuh „platschen“ lässt. Ich bin begeistert vom Abrollverhalten und der Dämpfung. Nach 32 km stieg ich aus dem Schuh und selten haben sich meine Füße noch so gut angefühlt. Auch sein geringes Gewicht trug dazu bei, dass mir der ganze Lauf „easier“ vorkam und ich das Gefühl hatte, ein paar Kilometer mehr wären kein Problem. Den Clifton 8 könnte man durchaus auch für einen Marathon in Betracht ziehen. Als sehr angenehm empfand ich auch die hochgezogene Fersenlasche. Sie hilft nicht nur beim An-/ Ausziehen wie ein eingebauter Schuhlöffel, sondern ist ein echter Pluspunkt für Läufer, die wie ich ab und zu mit Achillessehnenreizungen zu kämpfen haben. Hier ist der Clifton 8 wirklich ein Segen!

Allerdings finde ich ihn trotz seines geringen Gewichts weniger geeignet für kurze, schnelle Trainings. Man kann zwar auch gut mal Tempo aufnehmen, mich zieht er aber eher immer wieder unmerklich in die gemütlicheren Paces zurück. Fahrtspiele und Tempowechselläufe funktionieren gut, aber für Tempodauerläufe und Intervalltraining gibt es andere, geeignetere Modelle. Auch für kurze Wettkämpfe oder (Halb-)Marathons schneller als 4:30/ km würde ich etwas direktere Schuhe bevorzugen. Aber das ist auch nicht sein beabsichtigtes Einsatzgebiet.

Dem Clifton 8 liegt die Straße am besten. Hier kann man mit ihm wirklich ermüdungsarm fleißig Trainingskilometer sammeln. Sein Grip ist auch auf nassem Asphalt gut und er bietet genug Führung, durch seine engere Passform auch für schmalere Füße. Auch auf besser ausgebauten und trockenen Waldabschnitten kann man ohne Bedenken mit ihm unterwegs sein. Auf Schotterwegen macht er sogar richtig Spaß, weil seine dicke, weiche Sohle alle Steine einfach „wegschluckt“ und man fast wie auf Teer läuft. Matsch und Trails sollte man eher meiden, aber auch das darf man ihm nicht vorwerfen, weil er dafür nicht konstruiert wurde.

 

Einsatzbereich und Fazit


Hoka One One bezeichnet seine neuste Auflage des Clifton‘s als die „perfekte Kombination zwischen weich und leicht“. Dies kann ich nach 120 km Testumfang nur unterschreiben. Einordnen lässt sich der Clifton in der HOKA-Palette zwischen dem Bondi und dem Rincon. Wobei der Bondi noch mehr Dämpfung bietet und der Rincon eher für flottere Läufe sowie Wettkämpfe steht. Der etwas agilere Daily Trainer wäre der Mach 4.

Für wen wäre der Schuh richtig?

Auf jeden Fall könnte der Clifton 8 ein Lieblingsschuh für Laufanfänger sein, die wirklich ihr gesamtes Training bequem mit dem Allrounder bestreiten können. Ambitioniertere Läufer finden im Clifton 8 einen Kilometerfresser, mit dem man im langsamen bis moderaten Tempo sehr komfortabel die langen Läufe bestreiten kann. Ich würde ihn für leichtere bis mittelschwere Läufer empfehlen, schwerere Sportler wären vermutlich mit dem noch stärker gedämpften Bondi aus dem HOKA-Sortiment besser bedient. Auch für Regenerationsläufe nach anstrengenden Einheiten finde ich den Clifton 8 super geeignet.

Wie bereits erwähnt, ist die normale Variante perfekt für Läufer mit schmalen Füßen, alle anderen sollten den Clifton 8 am besten anprobieren oder gleich die Variante „Wide“ bestellen. Besonders bei einem Schuh für längere Strecken finde ich genügend Platz in der Zehenbox sehr wichtig. Die Sohle selbst ist aber nicht schmal, sondern bietet insbesondere durch ihren breiten Vorfußbereich genügend Stabilität für einen Neutralschuh, ohne Stabilitätselemente verbaut zu haben. Der Schuh sollte also auch für leichte Überpronierer geeignet sein. Nach dem Testumfang von 120 km sind noch keine signifikanten Abnutzungsspuren zu erkennen, so dass vom Clifton eine hohe Laufleistung bzw. Lebensdauer zu erwarten ist und er bei einem Kaufpreis von 140€ (UVP) ein faires Preis-/Leistungsverhältnis bietet.

Das Highlight für mich am Clifton 8 ist, dass die bei mir nicht so beliebten langen Trainingsläufe auf festem Untergrund wesentlich angenehmer zu bestreiten sind. So viel Dämpfung und Komfort bei tollem Abrollen und wenig Gewicht – SPITZE! Ich ziehe den Schuh für lange Läufe wirklich gern an, weil ich auch vorher schon weiß, dass ich ihn am Ende des Trainings mit wenig geplagten Füßen und dem guten Gefühl, dass es noch ein bisschen weiter gehen könnte, wieder ausziehe. Und das macht den HOKA Clifton 8 in diesem Einsatzbereich meiner Meinung nach zu einer echten Empfehlung!