ALTRA Mont Blanc
Ein Ultratrail-Racer, der mit dem Namen direkt auf den UTMB, den Ultra-Trail du Mont-Blanc, das größten Ultratrail-Event der Welt verweist, weckt unweigerlich Erwartungen. Ein klares Statement der US-Marke aus Logan, Utah. Vor der offiziellen Markteinführung gehypt wie kaum ein anderer Trailschuh. Was ist dran? Ich durfte es herausfinden.
Erster Eindruck
Dank des großen Hypes war die Aufregung groß. Paket da, Paket auf, Schuhe raus, Schuhe an und ab damit. Bedeutet leider, keine „Unboxing“ Bilder und auch keine Aufnahmen der ALTRA Mont Blanc in unbenutzten Zustand. Ich durfte die ALTRA Mont Blanc in einem satten Blau mit rotem Schriftzug testen. In der Männerversion gibt es sie auch noch in einem strahlenden Signalrot mit schwarzen Elementen. Die rote Variante ist noch mehr Eyecatcher. Aber, Laufschuhe sollten nicht in erster Linie nach der Farbe gekauft werden. Wissen wir ja.
Als erstes fällt die dicke Sohle auf. Ultraherz was willst du mehr.
Selbstverständlich springt auch die klassische Schuhform von ALTRA ins Auge. Footshape Toe Box heißt das bei ALTRA. Freut euch ihr Zehen, denn ihr habt Platz.
Zu guter Letzt überraschten das Gewicht und der Minimalismus. Die Ansage ist eindeutig: hier haben wir keinen „langsamen“ Schuh, der will, dass wir Gas geben.
Stimmt: das gelbe VIBRAM Logo ist auch nicht zu übersehen.
Na dann, wollen wir mal genauer hinsehen.
Oben
Der ALTRA Mont Blanc ist ein Schuh mit wenig Material, zumindest oben herum. Das Meshmaterial ist dünn, es ist samtig und es ist unglaublich „stretchy“. Ohne Zweifel ein Schuh für den Sommer. Wen wundert es! Die große Runde um den „weißen Berg“, der UTMB, findet traditionell im August statt. Dort wo andere Trailschuhe eine verstärkte Zehenkappe haben, finden sich beim ALTRA Mont Blanc lediglich feine Overlays. Ein Schutz der Zehen gegen Steine oder Wurzeln ist hier also nicht zu erwarten. Ab dem Mittelfußbereich bzw. der Schnürung geht das super softe Material in steiferes Material über, das aber so dünn ist, dass man hindurchsehen kann. Es geht ums Gewicht, soviel ist klar. Auch die Zunge ist dünn gearbeitet, ohne allzu viel Padding. Das könnte spannend werden. Die Schnürung ist klassisch. Die Schnürsenkel sind nicht flach, sondern rund und fest. Auch das könnte spannend werden. Nun zur Fersenkappe. Moment: Fersen-kappe? Auch diese ist minimalistisch aufgebaut. Sehr flexibel. Zu flexibel? Die Polsterung im Fersenbereich beschränkt sich auf das nötigste. Sie erinnert mich ein bisschen an die Cloudventure Peak von ON. Auch da war kaum eine Polsterung vorhanden, aber immerhin eine stützende Fersenkappe. Wir werden sehen.
Einmal reingeschlüpft, bestätigt sich das, was zu erwarten war. Meine Güte sind die Schuhe bequem. So was von soft. Und die Zehen haben richtig viel Platz. Die Größe passt auch. 43 hatte ich bisher in allen meinen ALTRAs wie bei meinen ON oder den 43 1/3 bei HOKA und Salomon. Ich bin schon gespannt, wie sie sich beim Laufen anfühlen. Aber schauen wir erst einmal nach unten.
Unten
ALTRA hat dem Mont Blanc ordentlich Dämpfung verpasst. Ganze 30mm um genau zu sein. Somit ganz nah dran am Speedgoat 5 von HOKA, der schafft 33mm. Die üppige Zwischensohle des Mont Blanc besteht aus dem ALTRA EGO Max Material, welches auch im Timp 4 oder dem Torin zum Einsatz kommt. Dabei stehen Dämpfung und Performance im Fokus.
Der ALTRA Mont Blanc in Größe 43 bringt 280g auf die Waage. Für einen ultragedämpften Schuh durchaus leicht. Damit schlägt der ALTRA Mont Blanc sogar den Speedgoat 5 von HOKA mit 292g, wenn auch nur knapp. Der ALTRA Mont Blanc bleibt also unter der magischen 300g Marke.
Wie bereits erwähnt positioniert ALTRA den Mont Blanc im Race-Segment über die Ultradistanz. Daher überrascht es nicht, dass man auch bei der Sohle maximalen Grip und Leichtigkeit unter einen Hut bringen will. Zum Einsatz kommt deshalb die VIBRAM Megagrip Litebase Außensohle. Laut VIBRAM sollen so bis zu 30% Gewicht eingespart werden, dies ohne Einbußen bei Grip, Traktion und Haltbarkeit. Um noch weiter an Gewicht zu sparen, hat man beim ALTRA Mont Blanc die VIBRAM Außensohle nicht ganzflächig, sondern durchbrochen aufgeklebt. Das soll zudem das Abrollverhalten positiv unterstützen.
Und natürlich, wie bei jedem Laufschuh von ALTRA: Zero drop oder 0 mm Sprengung. Ferse und Vorfuß liegen auf einer Höhe. Dies sorgt für ein natürliches Abrollen des Fußes und einen flachen, stabilen Stand, fordert bergauf allerdings die Wadenmuskulatur.
Unterwegs auf den höchsten Gipfel Deutschlands
In den vergangenen Wochen bin ich mit dem ALTRA Mont Blanc insgesamt rund 250 Kilometer und knapp 7.000 Höhenmeter unterwegs gewesen. Es war alles dabei: Asphaltabschnitte, Schotterpisten, Wanderpfade und alpine Steige. Von kurzen, flachen Runden auf einem ehemaligen Militärflughafen, über abendfüllende, flowige Voralpentrails bis hin zu ausdauernden, vertikalen Abenteuern. Eines dieser Abenteuer führte mich auf den höchsten Gipfel Deutschlands, die Zugspitze. Wie ich finde, eine perfekte Teststrecke. Aber lest selbst.
Lockeres Einrollen auf Asphalt
Vom Startpunkt der Tour, dem alten Olympia Skistadion in Garmisch-Partenkirchen geht es zunächst auf einer asphaltierten Straße Richtung Partnachklamm. Der ALTRA Mont Blanc ist ein reinrassiger Trailrunning Schuh. So viel ist klar. Dennoch kann er auch auf asphaltierten Strecken überzeugen. Aber wer möchte mit diesem Schuh schon monoton „schwarz“ unterwegs sein. Door-to-trail ist jedenfalls kein Problem ebenso wie längere Asphaltabschnitte, die uns bei dem ein oder anderen Ultralauf begegnen. Der Weg bis zum Klammeinstieg ist also ein entspanntes Einrollen.
Nasse Tunnelreise
Der nächste Abschnitt führt durch die beeindruckende Partnachklamm. Der Weg durch die Klamm mit ihren unzähligen Tunneln ist steinig, jedoch nicht technisch. Dafür aber nass. Mit dem ALTRA Mont Blanc und der Megagrip Litebase Sohle von VIBRAM freilich kein Problem, obwohl manche Steinstufe durch die vielen Klammbesucher ziemlich speckig geworden ist. Von einem Tunnel in den anderen, durch unzählige Pfützen hindurch. Die Füße werden ziemlich schnell nass. Das Obermaterial des ALTRA Mont Blanc ist nicht nur luft- sondern auch wasserdurchlässig. Bei den Temperaturen in diesem Jahr fast schon angenehm. Jedenfalls werden die Füße im Handumdrehen wieder trocken. Daumen hoch für das Fußklima.
Trailsurfen im Reintal
Der Partnachklamm entschlüpft, öffnet sich vor uns das Reintal und gibt die ersten Blicke auf die beeindruckenden Berggipfel des Wettersteinmassivs frei. Zunächst geht es auf Forststraßen mäßig steigend entlang: das klassische Dirtroad-Feeling eben. Schotterpiste, sanfte Wanderwege und chillige Singletrails wechseln sich bis zur Reintalangerhütte ab. Hierbei ist der ALTRA Mont Blanc ein unschlagbarer Begleiter. Er rollt super schön dahin. Dank des flachen Stands im Schuh, kann man ganz lässig die Umgebung genießen. Die üppige Dämpfung lässt die Belastung für den Bewegungsapparat nahezu unmerklich werden. Der ALTRA Mont Blanc ist leicht. Er ist luftig. Er rollt. In diesem Gelände macht er einfach unfassbar viel Spaß.
Auf technischen Singeltrails zur Knorrhütte
Bei herrlichem Sonnenschein, enormer Hitze und immerhin schon 500 Höhenmeter kommt die Reintalangerhütte nach rund 15 Kilometer ganz gelegen. Am Ufer der Partnach sitzend schnell einen Kaiserschmarren, um die Energiespeicher wieder aufzufüllen. Der Weg zur nächsten Hütte, der Knorrhütte, wird nämlich nicht mehr so entspannt. Es geht über die Baumgrenze. 6 Kilometer und 900 Höhenmeter technisches Trailrunning. Schmale Erdpfade. Über Latschenwurzel springend. Im Zickzack kleine, verblockte Steige hinauf. Je wilder und vertikaler es wird, desto mehr kommt der Schuh an seine Grenzen. Mit seinem Namen verspricht der ALTRA Mont Blanc leider mehr als er tatsächlich halten kann. Spitze Steine sind dank der großzügigen Dämpfung kein Problem. Hier hat ALTRA definitiv nicht am Material gespart. Bei Schaft, Zunge und Fersenkappe hingegen leider schon. Trotz des reduzierten Materialeinsatzes ist der ALTRA Mont Blanc unglaublich bequem, bietet auf der anderen Seite jedoch nur wenig Halt und so muss man beim Laufen Abstriche in Sachen Kontrolle in Kauf nehmen. Das Meshmaterial im vorderen Mittelfußbereich ist sehr stretchy. Man muss die Schnürung schon ordentlich fest anziehen, will man auf technischem Terrain oder dem Wurzelpfad kontrolliert zu Werke gehen. Dank des minimalen Paddings der Zunge kann dies für Läufer mit hohem oder empfindlichem Riss schnell unangenehm werden. Ein bisschen mehr Material hätte dem ALTRA Mont Blanc hier gutgetan. Auch die festen, runden Schnürsenkel sind in diesem Fall eher kontraproduktiv. Sie drücken unangenehm. Und locker geschnürt, schwimmt der Fuß im Schuh meinem Empfinden nach zu viel. Den ALTRA Mont Blanc gibt es auch noch mit einer doppelten BOA Schnürung. Es wäre interessant, ob mit dieser technischen Schnürung ein besseres Ergebnis erzielt werden kann.
Die Fersenkappe beim ALTRA Mont Blanc ist derart minimalistisch gestaltet, dass die Ferse nicht mehr als einen spärlichen Halt bekommt. Mag dies in moderatem Gelände noch akzeptabel sein, in anspruchsvollem Terrain wünscht man sich mehr Unterstützung. So begeisternd die Zehenfreiheit im ALTRA Mont Blanc dank der Footshape Toe Box ist, so enttäuschend ist der Fersenhalt. Um jetzt aber kein Missverständnis entstehen zu lassen: der ALTRA Mont Blanc funktioniert dennoch als Trailrunning Schuh. Für wen ein bombenfester Fersenhalt wichtig ist, oder wer oft und viel technisch oder gar alpin unterwegs sein will, mag zu einem vergleichbaren Schuh wie etwa den Speedgoat von HOKA greifen oder mit dem SCARPA Ribelle Run ganz andere Wege gehen.
Allmählich ziehen Gewitterwolken auf, auf knapp 2.100 Metern im Gebirge eine nicht zu unterschätzende Situation. Gerade rechtzeitig erscheint die Knorrhütte. Von hier soll es am nächsten Morgen weitergehen.
Ein Vertikal K zum Schluss
Nach einer kurzen und von schnarchenden Lagerkollegen geplagten Nacht warten die letzten 900 Höhenmeter. Bei einer Wegstrecke von rund 4 Kilometern eine ordentliche Steigung a la Vertical K. Das Gelände ist jetzt alpin, noch mehr verblockt und voller Geröll. Leider bietet der ALTRA Mont Blanc keinerlei Schutz gegen Steine im Zehenbereich. Entsprechend bedacht muss Schritt um Schritt geplant werden. Die letzten Klettersteigpassagen werden trotz rutschender Ferse dafür mit Megagrip by VIBRAM spielerisch überwunden. Der Gipfel der Zugspitze ist erreicht, die Aussicht fantastisch. Mit der neuen Zugspitz-Seilbahn geht es hinunter ins Tal. Das Zeitmanagement lässt einen Downhill in den ALTRA Mont Blanc leider nicht zu. Hätte in dem technischen Gelände aber wohl auch nur bedingt Spaß gemacht. Hierfür gibt es definitiv besser Trailschuhe.
Dafür laufen die letzten Kilometer von der Talstation, am Eingang zur Höllentalklamm und den Talstationen von Kreuzeck-, Alpspitz- und Hausbergbahn vorbei zurück zum Olympia Skistadion ganz easy, trotz mehrheitlich Asphalt.
Fazit
Man darf sich vom Namen des ALTRA Mont Blanc nicht täuschen lassen. Dabei enttäuscht der ALTRA Mont Blanc keineswegs. Für mich kann er definitiv nicht alpin und auch nicht wirklich technisch. Er kann schon, aber es macht keinen Spaß. In derartigem Gelände, besonders im Downhill, hatte ich das Gefühl, ich müsse mich mehr darauf konzentrieren, wie der Schuh auf die nächste Geländestufe reagiert, als dass ich mich auf die darauffolgenden Geländestufen hätte fokussieren können. Das ist schade und unglaublich anstrengend für den Kopf. Und eigentlich geht es doch darum, draußen zu sein und den Kopf freizubekommen.
Wer nun aber nicht unbedingt technisch unterwegs sein will, dafür seine Lauftage auf epischen Trails und endlosen Dirt Roads genießen möchte, der findet im ALTRA Mont Blanc einen zuverlässigen Begleiter, der dank seines Gewichts auch mal für den ein oberen anderen Zwischensprint zu haben ist. Nur große Richtungswechsel sind genau zu planen.
Der ALTRA Mont Blanc ist sehr bequem. In moderatem Gelände funktioniert der minimalistisch Materialeinsatzes hervorragend. Der flache Stand dank der 0 mm Sprengung geben in sicheres Gefühl. Die VIBRAM Megagrip Litebase Außensohle packt ordentlich zu und das in jedem Gelände. Bei tiefem Matsch wäre ich etwas vorsichtig. Das sind die Stollen mit rund 3mm vielleicht etwas zu kurz. 5mm wie beim Speedgoat 5 von HOKA wären besser. Die großzügige Dämpfung schluckt Steine, Wurzeln und vor allem viele Kilometer. Der ALTRA Mont Blanc ist durchaus für schwerer Läufer zu empfehlen.
Als mögliche Alternativen anderer Hersteller fallen mir der Speedgoat 5 von HOKA, der SALOMON Pulsar Trail oder Trail Pro und der INOV-8 Trailfly Ultra G 300 ein. Allerdings müsste man in diesem Fall auf den Zero Drop und die sagenhafte Zehenfreiheit verzichten. Mit dem Olympus 5 bietet aber auch ALTRA selbst ein Alternative zum Mont Blanc. Nicht so leicht und nicht so spritzig, dafür aber mit mehr Polsterung und mehr Protektion.
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