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Braucht die Welt noch eine weitere Laufschuhmarke? So oder so ähnlich habe ich das erste Mal von True Motion gehört. In vielen Lauf-Podcasts hat Mitgründer, Andre Kriwet, vom neuartigen Laufgefühl und der biomechanischen Innovation der U-TECH™ Konstruktion berichtet. Umso gespannter war ich, als mich Shop4runners gefragt hat, den U-TECH Solo testen zu wollen.

Mittlerweile dürfte „True Motion“ fast jeder Läuferin und jedem Läufer ein Begriff sein. Die noch recht junge Laufschuhmarke hat sich auf dem Markt etabliert und steht mit ihrem „U“, neben den „Dreistreifen“ und „Swoosh“ Logos, in den Schuhregalen auserwählter Sportfachgeschäfte und Onlineshops.

Kein Wunder, denn bei True Motion steht wirklich der Läufer, respektiv das Laufgefühl im Vordergrund. Weg von der Kategorisierung von Laufschuhen und Behandlung der Symptome durch Stützen, Keile & Co. Vielmehr arbeitet der Hersteller an der Ursache der un-physiologischen Bewegung. Mit neuer Technologie möchte man den Läufer*innen ein besseres Laufgefühl kreieren. Ich möchte gar nicht großartig auf Einzelheiten dieser biomechanischen Features eingehen (einige folgen im weiteren Verlauf), sondern drei Facts aus einem Podcast zitieren, die das U-TECH™ simple und am besten beschreibt: Sichtbare Struktur  umgedrehtes Hufeisen, Energierückführung wie bei einem Trampolin, generell funktioniert das Ganze wie bei einem Schlauchboot.  

 

 

Die Specs des Testschuhs:

 

Kategorie Lightweight Trainer, Wettkampf
Schuhart neutral
Geschlecht Herren
Sprengung 8mm statischer Drop
Gewicht 220g (Größe EU/US 43/9.5)
Farbe Orange Clown Fish/Atlantic Deep
Weite normal


 

Unboxing:


Der Solo erinnert schon ein wenig an einen Clown-Fisch. Zumindest die Farbe lässt auf Gleichnamigen schließen. So präsent und knallig die Farbe auch ist, kommt der Solo sportlich schlicht daher. Auf dem ersten Blick tiefergelegt wie ein echter Racer, entgegen dem derzeit gängigem Trend der hoch aufgebauten voluminösen und gebogenen Mittelsohlen mit Rockertechnologie. Bei dem Obermaterial handelt es sich um ein 3-lagiges, superleichtes und atmungsaktives Jacquard-Mesh ohne sehr auffällige Applikationen. Einzig scheinen das Logo und diverse Streifen aus reflektivem Material aufgeklebt zu sein. Generell besitzt der Solo eine 360° Reflektivität, was an den genannten Strukturen zu erkennen ist, aber auch in vielen, im Mesh eingebrachten, glitzernden Fasern und an der ebenso glitzernden weißen Mittelsohle sichtbar wird. Der Solo hat auch eine echte und gut gepolsterte Zunge, die innen im Mittelfußbereich elastisch vernäht ist und somit nicht verrutschen kann.

 

 

An Fersenkappe und der Schuhspitze ist verstärktes Material zu finden, was einen stabilen und stützenden Eindruck macht. Die eingesetzten Materialien sehen wertig aus und fühlen sich ebenso wertig an - alles ist sauber vernäht und verklebt.

Auf der Unterseite der Sohle ist natürlich das Herzstück sichtbar und das gleich in doppelter Anzahl. Das typische, an der Ferse befindliche „Hufeisen“, und die eher V-förmige Struktur im Mittelfußbereich. Drück man in die Mitte des Hufeisens auf das True Motion Logo, so wird hier die Technologie, also das „Trampolin“ sichtbar. Dieses blau-grün abgesetzte Element ist die Speed MotionBridge aus Nylon 75D und Fiberglas (15 %), welche für Stabilität und den besagten explosiven Abdruck durch den Trampolineffekt sorgen soll.

Abgerundet wird das Ganze durch die sauber eingearbeitete Außensohle mit unterschiedlicher Profilierung. Die Schnürbänder sind elastisch und fallen lang genug aus, um die Marathonschnürung zu ermöglichen, welche auch durch das zusätzliche dafür vorgesehene Schnürloch realisierbar ist. Die Einlegesohle ist relativ fest – nicht ganz so weich und schaumstoffartig wie herkömmliche Einleger, sie gleicht eher dem TPU Schaum der Mittelsohle. Laut Herstellerangabe soll diese auch zur Reaktivität beitragen.

 

Der erste Eindruck:


So tief der Solo aussieht, so tief und satt steht man auch im Schuh. Hinten an der Ferse etwas weicher als am Vorfuß, alles in allem relativ direkt gedämpft.

Durch den neu entwickelten Speed-Leisten soll man eine perfekte „2.-Haut-Passform“ erhalten. Vom ersten Eindruck her ist der Leisten eher schmal gearbeitet, sodass ich, mit meinem breiteren Fuß, ein etwas beengtes Gefühl im Zehenbereich erhalte. In wieweit sich das Ganze durch die Schnürung oder nach dem Einlaufen gestaltet, könnt ihr im nächsten Kapitel lesen. Ansonsten ist die Passform des Schuhs ausgesprochen komfortabel. Das Mesh schmiegt sich gut an, dabei sitzt es rundum stramm und elastisch am Fuß.

Noch einmal zurück zur Dämpfung bzw. dem allgemeinen Aufbau. Hier geht True Motion gefühlt eher „Back to the roots“. Der Sitz und Stand ist sehr stabil, ohne, dass man ein unsicheres Gefühl hat, durch eine zu hohe Sohle umzuknicken oder durch einen Rocker vor und zurück zu schaukeln. Wie so oft im direkten Vergleich der aktuell schnellen Schuhe der Konkurrenz. Denn das sind eigentlich alles Pro-Features dieser Kategorie, die der Solo nicht besitzt. Auch hier möchte ich erst den Praxistest auf der Laufstrecke abwarten, bevor ich mir ein Urteil bilde.

 

 

Lauftraining:


Ich taste mich recht langsam an das neue Laufgefühl heran, denn die ersten Laufschritte fühlen sich wirklich merklich ungewohnt an. Nicht im negativen Sinne, sondern einfach anders, als es von unterschiedlichen Modellen diverser Hersteller bekannt ist. Wenn man von einem neutralen Laufschuh sprechen kann, dann wahrscheinlich von einem True Motion mit U-TECH™. Leider kenne ich die beiden Vorgänger-Modelle, Nevos und Aion nicht, aber unterschiedliche Tests bestätigen mir ein ähnlich neutrales Laufgefühl. Das biomechanische Konzept des Solos verstehe ich sofort. Je nachdem, wie ich Pace und Laufstil verändere, wandelt sich auch die Dynamik, wobei die Dämpfung immer sehr direkt herüberkommt.

Optisch setze ich zuerst mit der Ferse auf, wobei sich mein Angriffspunkt eher auf den Mittelfuß zentriert – so ist mein persönlich bevorzugter Laufstil. Der Solo sollte, aufgrund des doppelten Us, optimal für mich sein. Das trifft nur bedingt zu, denn bei langsamen bis moderatem Tempo empfinde ich die Dämpfung etwas zu hart, bzw. berührt hier das Sprungtuch den Boden, wenn man bei der Trampolinanalogie bleibt. Bei schnellem Tempo spielt der Solo seine Stärken aus. Je kürzer die Bodenkontaktzeit, desto dynamischer und reaktiver wirkt der Schuh. Dafür ist er ja schließlich auch konstruiert und vorgesehen. Das geringe Gewicht unterstützt das tolle Rennfeeling, wobei sich ein homogen schneller Laufschritt einstellt.

Fersenläufer kommen trotzdem auf ihre Kosten. Habe selten so eine sanfte Landung auf der Ferse erlebt, eigentlich kenne ich nichts Vergleichbares. Das Zentrieren der Kraft und die damit verbundene Reaktivität ist auch hier spürbar. Sehr flexibel und komfortable rollt der Fuß recht energieeffizient ab, wobei eine gewisse Steifigkeit und Spannung fühlbar ist, was der Speed Motionbridge geschuldet ist.

Die Passform des Meshs gefällt mir zu jeder Zeit sehr gut. Nur bei wirklich langsamen Tempo habe ich das Gefühl, das mein Fuß nach vorne rutscht und der kleine Zeh an die Versteifung in der Schuhspitze stößt, was meinen ersten Eindruck des etwas schmaleren Schnitts unterstreicht. Trotz Marathonschnürung oder festerer Bindung bleibt dieses Gefühl erhalten. Vielleicht würde hier eine halbe bis eine Nummer größer Abhilfe schaffen. 

Vorwiegend hat mich der Solo die nächsten Läufe über 5-10km begleitet. Meist nur schnellere Einheiten, wie Intervallläufe und Fahrtspiele. Lange Schritte, Mittelfußaufsatz und kurze Bodenkontaktzeit - So macht er richtig Laune!

Die Außensohle macht einen guten Eindruck und bietet immer genügend Grip auch auf nasser Straße. Schotter oder unbefestigter Untergrund ist unangenehm, daher würde ich den Solo immer auf glattem Asphalt laufen. Auch nach etwas mehr als 80km ist kein Abrieb an der Außensohle zu erkennen. Das Mesh ist relativ beständig gegen Dreck bzw. ist dieser leicht abwaschbar.

 

 

Fazit:


Ohne Frage, der U-TECH Solo ist ein toller Schuh, der bei mir biomechanisch zu funktionieren scheint. Schnelle oder harte Einheiten sorgen bei mir oft zu Beschwerden meiner Achillessehne – nicht mit dem Solo! Dennoch meine ich, mehr Arbeit leiste zu müssen, um beständig ein hohes Tempo zu laufen. Bei leicht ermüdeter Muskulatur fällt es mir deutlich schwer, die Pace zu halten. Das habe ich mit anderen Schuhmodellen schon anders erlebt. Und das ist auch der Punkt beim Solo - er trifft nicht so ganz meine Präferenz, abhängig von meinen gewohnt stark gedämpften Mittelsohlen und meinem derzeitigen Leistungszustand. Ich sollte vielleicht mal den Aion testen, der zurzeit eher meine Laufambitionen trifft. 

Die Dämpfung des Solos ist mir etwas zu schwach und die Reaktivität geht deutlich explosiver bei Konkurrenzmodellen, ebenfalls ohne Carbon. Nichtsdestotrotz bekommt es True Motion optimal hin, Höhe der Mittelsohle und Gewicht in Relation zu einer sehr guten Dämpfung zu bringen. Dazu trägt die gute Wahl des U-TECH™ Foams bei - 75% Energy Return soll es laut Hersteller besitzen. 22mm Höhe an der Ferse und 14mm am Vorfuß, so ist der statische Drop. Dynamisch soll er auf 0mm gehen, wenn der Fuß einsinkt. Ein Feature ohnegleichen, was ebenfalls zum individuellen tollen Laufgefühl beiträgt.

Ich empfehle den Solo leichteren Läufer*innen, die einen guten Trainingszustand besitzen und schnelle Einheiten trainieren oder auch mal einen Wettkampf mit einem leichten Schuh bestreiten wollen. Die Präferenz sollte hier auf einen minimalistisch leichten Schuh liegen, also einem herkömmlichen „Renn-Schlappen“, denn der Solo kommt einem Racer schon sehr nah, ist aber doch ein Tick komfortabler und reaktiver, gerade auch im Fersenbereich. Denn nicht jede(r) schnelle Läufer*in läuft Vorfuß. Dabei spielt die Distanz wohl auch keine Rolle – er muss einfach gefallen. Dies zeigte auch der Kenianer, Henry Wanyoike, dreifacher paralympischer Goldmedaillen-Gewinner, der mit dem U-TECH Solo den diesjährigen Berlin Marathon in 2:46:12h gefinisht hat. Bravo!